Biofeedback - d.h. die apparative Rückkopplung von Lebens- bzw. Körperfunktionen – ist eine apparative Methode, um die Selbstkontrolle über (neuro-psycho-)physiologische Vorgänge (wieder) zu erlangen oder zu verbessern. Hierbei werden physiologische Prozesse (Signale von Körperfunktionen wie Puls, Durchblutung, Hautleitwert, Muskeltonus, Atmung, Herz- und Hirntätigkeit etc.) mit geeigneten Messfühlern (Sensoren bzw. Elektroden) erfasst und an die PatientInnen in Form optischer, akustischer oder manchmal auch taktiler Signale kontinuierlich zurückgemeldet. Biofeedback ist eine effektive und auch universitär (d.h. schulmedizinisch) anerkannte Methode und erfordert (in fast allen Fällen) das aktive Mittun, d.h. die Mitarbeit der/s PatientIn. Zur Durchführung von Biofeedback benötigt man, da es sich um eine instrumentell-apparative Methode handelt, eine entsprechende Ausrüstung. Es werden ein Biofeedbackgerät oder eben die Biofeedback-Hardware mit Andockstation, Sensoren und Elektroden sowie (früher) Kabeln oder Bluetooth-Einheit sowie ein PC oder Laptop mit entsprechender Software benötigt. Der Biofeedback-Erfolg beruht letztlich auf einer fundierten medizinischen Ausbildung sowie einer Biofeedback-Ausbildung und entsprechenden Erfahrung der/des BiofeedbacktherapeutIn oder -TrainerIn. Biofeedback kann in vielen (nicht-medizinischen und medizinischen) Einsatzbereichen als Modul innerhalb eines – bei medizinischen Indikationen State-of-the-Art-Behandlungsregimes – sinnvoll eingesetzt werden.
Biofeedback bei Migräne wird typischerweise und besonders gut bewährt als Vasokonstriktionstraining und Handerwärmungstraining sowie auch als Neurofeedback (worauf hier aufgrund der hohen Effektivität der „traditionelleren“ Biofeedbackparameter nicht näher eingegangen wird) eingesetzt.
Das Vasokonstriktionstraining setzt in der Prodromalphase der Attacke an. Hierbei wird an der oberflächlich gelegenen Schläfenarterie, d. h. der Arteria temporalis superficialis aktiv einer Dilatation (Erweiterung des Gefäßes) entgegengewirkt. Das Handerwärmungstraining ist die ältere Methode und wird schon seit fast 50 Jahren praktiziert – es funktioniert über den N. vagus, setzt im schmerzfreien Intervall an und ermöglicht das Üben einer peripheren Dilatation mit Temperaturerhöhung. Als Therapieziele werden die Selbstregulationsfähigkeit der Gefäßmotorik mit willkürlicher Vasokonstriktion der Arteria temporalis superficialis und die willkürliche Dilatation der peripheren Gefäße (Handerwärmungstraining) sowie der Aufbau von (Selbst-)Kompetenzüberzeugungen sowie die emotionale Stabilisierung und Verbesserung der Schmerzverarbeitung angesehen. Mit Biofeedback kann bei Migräne (wie übrigens beim Spannungskopfschmerz auch) eine Reduktion des Medikamentenkonsums erreicht werden, wobei das schulmedizinische Behandlungskonzept auf keinen Fall und zu keiner Zeit verlassen werden sollte.
Beim Handerwärmungstraining sind die Erhöhung der peripheren Durchblutung durch die willkürliche Selbstregulation der Gefäßmotorik und eine Entspannung in der schmerzfreien Phase das Therapieziel. Hier wird die/der PatientIn aufgefordert, die periphere Körpertemperatur, also die Handtemperatur, willkürlich zu erwärmen. Dieses Training erfolgt, bis z. B. eine Temperatur von (32–)33 °C erreicht und konstant beibehalten werden kann. Beginnend mit einer dreiminütigen Baseline wird danach mit einem zehnminütigem Handerwärmungstraining unter Feedback-Bedingungen begonnen. Auf eine dreiminütige Pause mit Besprechung folgen weitere zehn Minuten Handerwärmungstraining unter Feedback- Bedingungen, dann wieder drei Minuten Pause mit Besprechung. Darauf folgen nun fünf Minuten Handerwärmung unter Voluntary-Control-Bedingungen (d.h. es wird ohne Überwachung (Monitor) geübt). Am Ende stehen eine dreiminütige Endbaseline sowie ein Bewertung Review mit Nachbesprechung.
Beim Vasokonstriktionstraining wird eine willkürliche Vasokonstriktion der Arteria temporalis superficialis zur Anfallskupierung in der Prodromalphase angestrebt. Die willentliche Reduktion der Durchblutung der Arteria temporalis superficialis führt hierbei zur Linderung der Schmerzintensität in der Migräneattacke. Das sog. Pulsamplituden-Feedback wird beim Vasokonstriktionstraining eingesetzt. Hier wird beispielsweise ein Kreis oder Ring am Display gezeigt. Als Anleitung für die PatientInnen gilt die Vorstellung, dass der Durchmesser dem Durchmesser der Schläfenarterie entspräche. Eine Sitzung beginnt auch hierbei wieder mit einer Baseline. Darauf folgen ein bis drei Minuten Feedback mit der Instruktion (Anleitung), das „Gefäß zu verengen“. Auf eine ein- bis zweiminütige Pause folgen wiederum ein bis drei Minuten Feedback mit der Instruktion, das „Gefäß (also den Kreisring) zu verengen“. Darauf folgen zwei bis drei Minuten geführte Entspannung (unter Beachtung auch der Funktionen Atmung, Temperatur). Darauf folgen wieder ein bis drei Minuten Feedback mit der Instruktion, das „Gefäß zu verengen“, dann ein bis drei Minuten Pause und wiederum ein bis drei Minuten Feedback mit der Instruktion, das „Gefäß zu verengen“. Dann ist wieder Zeit für zwei bis drei Minuten geführte Entspannung und danach folgen zwei bis drei Minuten Üben unter sog. „Voluntary-Control”-Bedingungen, d. h. es wird ohne Monitor geübt. Danach erfolgt die Endbaseline, dann der Review und die Nachbesprechung sowie die Formulierung und Vereinbarung von Hausaufgaben.
Dem Vasokonstriktionstraining ist also eine klare Ablaufplanung vorzuschalten. Stets gibt es (wie bei anderen Anwendungen auch) eine Anfangs- und Endbaseline. Dazwischen werden entsprechende Übungs- und Trainingsphasen (die in diesem Fall für die PatientInnen besonders anstrengend sind!) sowie Pausen eingeschaltet. Zunächst wird unter Idealvoraussetzungen in einem optimalen Setting (Rahmen, Situation) geübt, später werden die externen Bedingungen sozusagen „verschärft“ (z. B. durch Stressoren und Belastungen sowie durch Imaginationen). Das Vasokonstriktionstraining ist, wie schon erwähnt, sehr anstrengend. Ein Training dauert daher zu Beginn nur rund 20 Minuten und später um die 30 Minuten. Die anstrengenden Kontraktionsphasen werden von Sitzung zu Sitzung schrittweise verlängert. Die Pausen dazwischen sollen jeweils rund eine bis zwei Minuten dauern. Unter Voluntary-Control-Bedingungen, also ohne Monitor, wird ab der 3.– 4. Sitzung geübt, d.h., wenn die/der PatientIn die Übungen recht gut erlernt hat. Viele TherapeutInnen schalten allerdings Voluntary-Control-Phasen auch schon von Anfang an ein, da manche PatientInnen die Kontraktionsfähigkeit zwar schon haben, aber noch nicht richtig beherrschen und einsetzen können. Hier muss der gezielte Einsatz dieser Fähigkeit richtig geübt werden. Wichtig ist natürlich auch das Durchspielen von Stress- und Belastungssituationen.
Fazit
Werden das Handerwärmungstraining und das Vasokonstriktionstraining konsequent geübt und erlernt, so kann die Anfallsfrequenz vermindert und das Ausmaß der Attacken, das heißt deren Intensität, vermindert werden.
Autor: Univ. Prof. Dr. Richard Crevenna, MBA, MSc
ist als Facharzt und Professor für Physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation tätig und Vorstand der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin der Medizinischen Universität Wien.
Er fungiert weiters als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation und auch als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Biofeedback und Psychophysiologie
Quellen
- Crevenna R. Biofeedback: Basics und Anwendungen. Wien: (2010, Facultas/Maudrich ISBN: 978-3-85175-920-4, 1. Auflage)