„Um einen adäquaten Umgang mit Belastungen, Veränderungskrisen und Schmerzen zu erlernen, ist der Austausch mit ExpertInnen wichtig, aber genauso spielt auch der Austausch mit anderen Betroffenen bzw. mit Freunden eine große Rolle.“ Diesen Satz habe ich immer wieder von meiner Supervisorin gehört, als ich mit SchmerzpatientInnen gearbeitet habe. Bis heute gebe ich diese Weisheit auch an meine KlientInnen weiter, da sie sich immer wieder bewährt hat.

Kraft durch den Austausch untereinander

Für PatientInnen ist der Zusammenschluss in einer Gruppe extrem wichtig, um gemeinsam über Erfahrungen zu sprechen und um soziale Kontakte zu knüpfen. Soziale Netzwerke sind gute Schutzfaktoren, aber auch wichtige Resilienzfaktoren , die die psychische Widerstandsfähigkeit von Menschen stärken. Migräne bzw. der Schmerz verleitet viele PatientInnen dazu, sich sozial zurückzuziehen. Dadurch wird man einsam und menschenscheu und ein Teufelskreis beginnt. Selbsthilfegruppen sind die perfekte Möglichkeit für Betroffene, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und zu erfahren, dass sie nicht alleine sind. „Migräne betrifft auch andere und nicht nur mich“, höre ich dann immer wieder von PatientInnen und mit der Aussage schwingt auch Erleichterung mit. MigränepatientInnen müssen keine EinzelkämpferInnen sein. Durch den Austausch mit Betroffenen können neue Ansichten und Strategien im Umgang mit der Migräne erlernt werden. Die PatientInnen fühlen sich verstanden und sie können offen und ehrlich über ihre Sorgen, Belastungen und Ängste sprechen. Sie müssen sich nicht erklären und rechtfertigen. 

„In der Selbsthilfegruppe kann ich so sein, wie ich bin. Ich muss nichts verbergen und mich nicht verstellen“

Durch den Austausch in der Gruppe können eigene Bewältigungsstrategien reflektiert sowie neue Lösungsmöglichkeit entwickelt und konkretisiert werden. In der Gruppe werden Bedürfnisse nach Kontakt, Sicherheit und Anerkennung erfahrbar. Die eigene Sichtweise kann erweitert werden und auch Mut und Hoffnung findet man oftmals im Austausch miteinander.

Die Hemmung vor dem ersten Mal 

Aus meiner Erfahrung gibt es auch oft Ängste und Hemmungen, vor dem ersten Besuch einer Selbsthilfegruppe. Gedanken, wie „Es kann mir sowieso keiner helfen“, „In der Gruppe wird ja nur gejammert“, „Ich habe Angst mich zu blamieren“, lösen bei Betroffenen Vermeidungsverhalten aus. Als Psychologin versuche ich den Betroffenen diese Ängste in den Einzelbehandlungen zu nehmen. Es braucht aber vor allem auch von dem Betroffenen selbst die Bereitschaft, sich zu öffnen, Probleme und Stärken mit anderen zu teilen, über sich selbst und das eigene Verhalten zu reflektieren und den Willen an Lösungsstrategien zu arbeiten.
 

Bild: Autorin Mag.a Melanie KappelAutorin: Autorin Mag.a Melanie Kappel
Klinische- und Gesundheitspsychologin; Wahlpsychologin für klinisch-psychologische Diagnostik in freier Praxis; zertifizierte Arbeitspsychologin; allgemein gerichtlich beeidete Sachverständige; Klinische Psychologin in der Familienberatungsstelle „Lichtblick“ Feldkirchen/Kärnten

Quellen

  • U.Schultz-Venrath und H. Felsenberger (2016). Mentalisieren in der Gruppe. Fachbuch Klett-Cotta
  • Jana Strahler (2017 Volume 11) . Was die Psyche wachsen lässt. Resilienz.  S. 12-17. Spektrum der Wissenschaft
  • K. Lieb (2017 Volume 11). Resilienz lässt sich trainieren. S.18-19. Spektrum der Wissenschaft
  • P. Thivissen (2017 Volume 11). Ruhig Blut. S.20-22. Spektrum der Wissenschaft
  • Berking (2008). Training emotionaler Kompetenzen (TEK). Springer