Schon im Volkschulalter galt ich als „Kopfwehkind“. Damals half es mir, mich auszuruhen und zu schlafen. Später, als ich in die Pubertät kam und die hormonellen Veränderungen eine große Rolle spielten, artete das Kopfweh in Migränefälle aus. Die Übelkeit und das Pochen an den Schläfen konnte ich zu dieser Zeit immer noch mit Schlaf in den Griff bekommen – ohne Medikamente. Je älter ich wurde, desto weniger half diese Methode bei den Attacken. Ich erhielt eine medikamentöse Akutmedizin, die auch heute noch bei Anfällen wirkt. Eine prophylaktische medikamentöse Therapie brauchte ich nicht.
Das Auseinandersetzen mit der Erkrankung
Im jungen Erwachsenenalter fing ich an, mich intensiver mit den Symptomen meiner Migräne auseinanderzusetzen. Ich las viele Bücher, mitunter von Oliver Sacks „Migräne“. Sacks begleitet mich noch immer in meinem Alltag. Auch der Austausch mit betroffenen Freundinnen half mir. Das wichtigste dabei war, dass mich meine Freundinnen verstanden und mich ernst genommen haben. Heute informieren wir uns über die Migräne unserer pubertierenden Kinder, was uns wieder vor eine neue Herausforderung stellt. Ich bin froh, Betroffene zu kennen, die meine Sorgen und Gedanken verstehen und teilen.
Mein Weg
Neben der „Schulmedizin“ probierte ich auch „alternative Methoden“ aus, wie zum Beispiel Akupunktur. Durch Akupunktur konnte ich die Häufigkeit der Anfälle reduzieren. Primär traten die Migräneanfälle vor der Menstruation auf. Alkoholkonsum (auch gering dosiert), Stress und Überanstrengung nach Sport lösten ebenfalls Anfälle aus. ÄrztInnen diskutierten viele mögliche Ursachen: Histamin-Unverträglichkeit, Candida im Darm und einiges mehr. Es folgte eine zweimonatige Diät, bei der ich glaubte, die ersten zehn Tage „verhungern“ zu müssen. Zucker und Co. Adé. Mein Schlaf verbesserte sich, mein Hautbild wurde schöner, aber meine Migräne blieb.
Zusätzlich erlernte ich Biofeedback und Entspannungstechniken, wie die progressive Muskelrelaxation. Das half mir, mich im Alltag besser zu entspannen und den allgemeinen „Stresspegel“ zu reduzieren.
Hobbies halfen mir ebenfalls, mich abzulenken. Das Musizieren auf der Querflöte ist für mich die schönste Ablenkungs- und Achtsamkeitsübung, die mir immer wieder über leichteres Kopfweh hinweghilft. Durch Achtsamkeitstraining und bewusste Lebensführung habe ich nun gelernt mit meiner Migräne zu leben.
Wenn ich die Stunden und Tage an Schmerzen zusammenzähle, so ergibt das am Ende meiner Tage eine stattliche Zahl, die sich wahrscheinlich schon in Jahren ausdrückt. Ich habe gelernt mit meiner Migräne zu leben, sie anzunehmen und zu akzeptieren. Durch sie habe ich auch gelernt, die schmerzfreien Tage zu schätzen, sie auszuleben, sie zu nutzen und vor allem zu genießen. Denn schließlich überwiegen die schmerzfreien Tage!
Autorin: Autorin Mag.a Melanie Kappel
Klinische- und Gesundheitspsychologin; Wahlpsychologin für klinisch-psychologische Diagnostik in freier Praxis; zertifizierte Arbeitspsychologin; allgemein gerichtlich beeidete Sachverständige; Klinische Psychologin in der Familienberatungsstelle „Lichtblick“ Feldkirchen/Kärnten
Quellen
- Oliver Sacks (1996). Migräne. Rororo