Obwohl Migränesymptome bereits 3000 v. Chr. erstmals beschrieben wurden1, sind die Faktoren, die einen Migräneanfall herbeiführen können, bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt. Fest steht nur, dass die Ursache der neurologisch bedingten Funktionsstörung des Gehirns nicht in äußeren Faktoren liegt, sondern in einer erblichen Veranlagung.2 Eine individuelle Reiz-Reaktionsbereitschaft sowie verschiedene Auslöser (Trigger) können darüber hinaus eine Migräne begünstigen. Viele Betroffenen machen zum Beispiel bestimmte Nahrungsmittel wie Schokolade für ihre Migräneattacke verantwortlich – eine mittlerweile überholte Annahme, so das Ergebnis verschiedener Studien.3,4,5

Eine wissenschaftliche Veröffentlichung im Jahr 1966 kam erstmals zu dem Ergebnis, dass es einen Zusammenhang zwischen Migräneattacken und einer Schokoladenallergie gibt.5 Doch seitdem wird dieses Thema kontrovers diskutiert. Heute gehen ExpertInnen davon aus, dass der häufig beobachtete Heißhunger auf Süßes vor einem Migräneanfall durch Veränderungen im Hirnstoffwechsel zustande kommt und ein Vorbote einer beginnenden Migräneattacke ist: Die Hirnareale, die von der plötzlichen übermäßigen Hirnaktivität betroffen sind, müssen mit Energie versorgt werden, die sich das Gehirn in Form von Kohlehydraten (n) holt.6 Die gesteigerte Lust auf etwas Süßes wäre demnach eher ein Vorbote (Prodrom) und nicht zwangsläufig ein direkter Auslöser.

Mehr noch: Einige aktuelle Studien wollen gar einen positiven Effekt von Schokolade auf das Migränegeschehen erkennen. Sie fanden heraus, dass ein Methanolextrakt aus Kakaobohnen die Freisetzung des Calcitonin Gene-related Peptids (CGRP) aus dem Trigeminusnerv wirksam unterdrückte.5 Der Botenstoff ist neueren Erkenntnissen zufolge nicht nur für die Erweiterung der Blutgefäße im Gehirn verantwortlich, sondern auch an der Schmerzweiterleitung beteiligt. Wird CGRP übermäßig ausgeschüttet, erhöht dies vermutlich die Empfindlichkeit des Trigeminusnervs für normale Signale, die für gewöhnlich keinen Effekt haben. In der Folge kommt es zu der Entzündung in den Nerven, die an das Gehirn als Schmerzsignal weitergegeben wird.2,7,8 

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die weit verbreitete Empfehlung, MigränepatientInnen sollten Schokolade und kakaohaltige Nahrungsmittel unbedingt meiden, wissenschaftlich nicht ausreichend belegt ist. Ob Schokolade im Gegenteil sogar eher einen positiven Effekt auf Migräne hat, müssen weitere Studien mit einer größeren PatientInnenzahl zeigen. 

Kristina Neuhuber, BSc.
Text basiert auf Neuhuber, K. (2018). Migräne und der Einfluss von Ernährung. (Bachelorarbeit), FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg. Unter Betreuung von Daniela Grach, MSc. Umgeschrieben für die Publikation in migraene-service.at durch Novartis Pharma.

Quellen

  1. Evers, Stefan; Die Medizingeschichte der Migräne: www.migraeneliga.de, letzter Zugriff am 24.04.2018
  2. Migräne-Ursachen: Der Stand der Wissenschaft: https://www.migraene-wissen.de/migraene/ursachen/, letzter Zugriff am 14.09.2018
  3. J. Holzhammer, Prof. Dr. C.Wöber: Der Schmerz, Ausgabe 2/2006: Alimentäre Triggerfaktoren bei Migräne und Kopfschmerz vom Spannungstyp; www.springermedizin.de, letzter Zugriff am 24.04.2018
  4. Ärztezeitung: Schokolade als Triggerfaktor für Migräne? Das ist ein Irrtum; www.aerztezeitung.de, letzter Zugriff am 24.04.2018
  5. Lippi, G., Mattiuzzi, C., Cervellin, G. (2014). Chocolate and migraine: the history of an ambiguous association. Acta Biomed. 17;85(3):216-21. Download vom 07. Jänner 2018, von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25567457
  6. Schmerzklinik Kiel: Die 10 wichtigsten Tipps gegen Migräne- und Kopfschmerzen: www.schmerzklinik.de, letzter Zugriff am 24.04.2018
  7. Lassen et al. CGRP may play a causative role in migraine. Cephalalgia. 2002 Feb; 22(1): 54–61: www.ncbi.nlm.nih.gov, letzter Zugriff am 24.04.2018 
  8. Bigal ME et al. Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) and Migraine Current Understanding and State of Development. Headache. 2013; 53(8): 1230–1244